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Grenzüberschreitendes Insolvenzrecht / Internationales Konkursrecht

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Die Voraussetzungen

Rechtsgebiet:
Grenzüberschreitendes Insolvenzrecht / Internationales Konkursrecht
Stichworte:
Grenzüberschreitendes Insolvenzrecht, Internationales Konkursrecht
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Dem Antrag wird stattgegeben, wenn

  1. das Dekret im Staat, in dem es ergangen ist, vollstreckbar ist;
  2. die ausländische Entscheidung weder den materiellen noch den formellen schweizerischen ordre public verletzt;
  3. der Staat, in dem das Dekret ergangen ist, Gegenrecht hält.

Im folgenden soll auf die einzelnen Punkte kurz eingegangen werden.

Indirekte Zuständigkeit

Ein ausländisches Konkurserkenntnis wird in der Schweiz nur anerkannt, wenn dieses am Wohnsitz des Schuldners ergangen ist. Bei dieser Voraussetzung handelt es sich um die indirekte bzw. Anerkennungszuständigkeit. Es wird dabei abgeklärt, ob aus schweizerischer Sicht und in Anwendung von Schweizerischem internationalem Privatrecht, das ausländische Gericht für die Konkurseröffnung örtlich überhaupt zuständig war. Die Überprüfung dieser Voraussetzung erfolgt im Anerkennungsverfahren ungeachtet der Tatsache, dass schon die ausländische Behörde ihre örtliche Zuständigkeit bejaht hat, von Amtes wegen[1].

Vollstreckbarkeit

Im Gegensatz zur Anerkennung ausländischer Zivilurteile ist bezüglich der Vollstreckbarkeit im Zusammenhang mit der Anerkennung eines ausländischen Konkurses der Eintritt der formellen Rechtskraft nicht erforderlich. Vollstreckbarkeit liegt vor, wenn das ausländische Konkursdekret ohne weiteres die ihm zugedachten Wirkungen entfalten kann, nötigenfalls unter Anwendung von Rechtszwang[2].

Notwendige Urkunden

Dem Begehren um Anerkennung sind vom Antragsteller zu Handen des Gerichts folgende Urkunden beizulegen:

  • eine vollständige und beglaubigte Ausfertigung des ausländischen Konkursdekrets,
  • eine Bestätigung, dass das Dekret vollstreckbar ist,
  • im Falle eines Abwesenheitsurteils eine Urkunde, aus der hervorgeht, dass der Adressat des Dekrets gehörig und so rechtzeitig vorgeladen worden ist, dass er die Möglichkeit hatte, sich zu verteidigen.

Das Anerkennungsverfahren wird insoweit von der Offizialmaxime beherrscht, als der Anerkennungsantrag weder einer Anerkennung seitens des Antragsgegners noch eines Vergleiches zugänglich ist[3]. Ein Rückzug des Begehrens ist jedoch möglich.

Nichtvorliegen eines Verweigerungsgrundes

Ein ausländisches Konkursdekret wird in der Schweiz nicht vollstreckt, wenn ein Verweigerungsgrund nach Art. 27 IPRG vorliegt. Es geht dabei um die Vereinbarkeit des ausländischen Konkursdekretes mit dem materiellen oder formellen ordre public der Schweiz.

Beispiele für die Verletzung des materiellen ordre public:

  • unsachliche Diskriminierungen einzelner Gläubigergruppen (z. B. wegen der Staatsangehörigkeit)
  • Scheininsolvenzverfahren zur Erreichung anderer Zwecke als der privaten kollektiven Gläubigerbefriedigung
  • sogenannte «Tax bankruptcies», in denen das Konkursverfahren vom Fiskus als Gläubiger in Gang gesetzt wird und alle oder die meisten Forderungen Steuerforderungen oder andere öffentlich-rechtliche Ansprüche sind[4].

Beispiele für die Verletzung des formellen ordre public:

  • nicht gehörige Ladung: der Schuldner muss nach dem Recht des Konkurseröffnungsstaates gehörig vorgeladen worden sein, wobei dieser Ladungsvorgang an sich mit dem schweizerischen verfahrensrechtlichen ordre public kompatibel sein muss[5].
  • Nichteinhaltung von wesentlichen Grundsätzen des schweizerischen Verfahrensrechts, insbesondere die Verletzung des rechtlichen Gehörs.

Gegenrecht

Ein ausländisches Konkursdekret wird nur dann anerkannt, wenn der Staat, in welchem dieses ergangen ist, Gegenrecht hält. Die Gegenrechtskontrolle erfordert Kenntnisse der Konkursrechte sowohl des betreffenden Landes wie auch der Schweiz.

Die nachfolgende alphabetische Länderübersicht stützt sich auf Daniel Staehelin, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz (Art. 166 ff. IPRG), Basel 1989, S. 72 ff., wo auch weiterführende Literatur zum jeweiligen ausländischen Konkursrecht zitiert ist.

Gegenrecht ist gegeben bei:

  • Deutschland ohne Württemberg und Bayern
  • Deutschland-Württemberg für Nachlassverträge[6]
  • Deutschland-Bayern[7]
  • Dänemark
  • Fürstentum Liechtenstein für Konkurse, wenn der Konkursit in der Schweiz nur Mobilien, nicht aber Immobilien besitzt[8]
  • Grossbritannien (ausser für Nachlasskonkurse)[9]
  • Griechenland
  • Italien (ausser bei Kontumazentscheiden)[10]
  • Kanada (ausser wenn der kanadische Schuldner in der Schweiz Immobilien besitzt)[11]
  • Oesterreich[12]
  • Panama für Nachlassverfahren
  • Spanien
  • Südafrika
  • USA (ausser für Nachlasskonkurse)

Gegenrecht ist zur Zeit nicht gegeben bei:

  • Argentinien
  • Australien
  • Belgien
  • Deutschland-Württemberg für Konkurse[13]
  • Costa Rica
  • Finnland
  • Frankreich[14]/[15]
  • Fürstentum Liechtenstein für Nachlassverträge[16]
  • Japan
  • Niederlande
  • Norwegen
  • Panama für Konkurse
  • Portugal
  • Schweden

Der Antragsteller wird nicht umhinkommen, die Gegenrechtssituation aktualiter bei Gesuchseinreichung genau abzuklären.


[1] ZR 90 (1991) Nr. 45

[2] Berti, a.a.O., Art. 166 N 26

[3] Berti, a.a.O., Art. 167 N 187

[4] Hanisch, a.a.O., S. 24

[5] Staehelin, a.a.O., S. 62

[6] vgl. «Uebereinkunft zwischen dem früheren Königreich Württemberg und den meisten schweizerischen Kantonen von 1825/1826» (mit Ausnahme von Neuenburg und Schwyz / gegenüber Appenzell-Ausserrhoden wurde der Vertrag von Seiten Württembergs partiell suspendiert, vgl. Nussbaum Werner, Das interkantonale Konkursrecht der Schweiz de lege lata et ferenda, Diss. Zürich 1980, S. 52 und BlSchK 1974 S. 4 mit weiteren Hinweisen); infolge Nichtbehandlung des Nachlassvertrages im Staatsvertrag hat die Anerkennung nach Art. 175 IPRG zu erfolgen.

[7] vgl. «Uebereinkunft zwischen dem ehemaligen Königreichs Bayern und den meisten schweizerischen Kantonen von 1834» (mit Ausnahme Schwyz und Appenzell-Innerrhoden); im Vertrag wurde der Ausschluss der Arrestlegung nach Konkurseröffnung und die Einheit des Konkurses (und damit der Ausschluss einer Partikularmasse) bezüglich Mobilien statuiert; ohne förmliche Exequatur ist die Wirkung des bayerischen Konkursdekrets auf schweizerische Immobilien anzuerkennen. Bezüglich der übrigen Vermögenswerte ist das Anerkennungsverfahren nach Art. 166 IPRG notwendig und aufgrund der allgemeinen deutschen Insolvenzgesetzgebung möglich.

[8] Es gilt in FL das für Mobilien das Universialitäts- und für Immobilien das Territorialitätsprinzip. Gemäss Art. 5 Abs. 2 der liechtenst. KO ist das bewegliche Vermögen der ausländischen Konkursverwaltung herauszugeben, sofern der ausländische Staat Gegenrecht hält.

[9] Diese werden in England nicht anerkannt (vgl. Staehelin, a.a.O., S. 85, FN 154)

[10] Bei Kontumazentscheiden ist eine generelle Revision möglich (vgl. Art. 798 CPC).

[11] für Quebec fehlt das Gegenrecht (vgl. Staehelin, a.a.O., S. 90, FN 203).

[12] seit Inkrafttreten des neuen österreichischen IIRG am 01.07.2003.

[13] «Uebereinkunft», vgl. FN hievor. Es gilt weiterhin gemäss Uebereinkunft das Prinzip der Einheit des Konkurses und die Bildung einer Partikularmasse ist im Gegensatz zu Art. 170 IPRG ausgeschlossen (vgl. Staehelin, a.a.O., S. 78 f.); a.Mg. BGE 109 III 86.

[14] Gestützt auf die Gerichtsstandsvereinbarung der Schweiz mit Frankreich vom 15. Juni 1869 (Art. 6 ff.) gilt das Prinzip der Einheit und Universialität des Konkurses und der Nachlassverträge, weshalb das Verfahren gemäss Art. 166 IPRG keine Anwendung findet (vgl. Art. 1 Abs. 2 IPRG).

[15] Die französische Regierung plant gegenwärtig eine Reform des Konkursrechtes. Diesbezüglich könnte sich in naher Zukunft eine Änderung im Gegenrecht ergeben (vgl. NZZ Nr. 238 vom 14.10.2003, S. 21).

[16] Liechtensteinische Nachlassverträge können nicht anerkannt werden, zumal schweizerische Nachlassverträge in Liechtenstein nicht beachtet werden

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